Fermentation: Wie Mikroorganismen unsere Ernährung revolutionieren


Von Dr. Bernhardt – Facharzt für Präventivmedizin und Longevity-Experte

Altbewährt und hochaktuell: Die Renaissance der Fermentation

Schon vor Jahrtausenden nutzten Menschen Fermentation zur Konservierung von Lebensmitteln – lange bevor es Kühlschränke gab. Ob Sauerkraut, Sauerteigbrot, Joghurt oder Kefir: Fermentiertes gehört zu den ältesten Bestandteilen traditioneller Ernährung. Heute erlebt diese Technik eine eindrucksvolle Wiederentdeckung – nicht nur aus kulinarischen, sondern vor allem aus gesundheitlichen Gründen.

Was passiert bei Fermentation eigentlich?

Fermentation bedeutet: Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien, Hefen oder Essigsäurebakterien verstoffwechseln Kohlenhydrate in Säuren, Gase oder Alkohol. Dabei entstehen nicht nur neue Aromen – sondern auch neue bioaktive Inhaltsstoffe, die vorher im Lebensmittel nicht enthalten waren.

Gleichzeitig werden sogenannte Antinährstoffe wie Phytinsäure abgebaut. Diese behindern im Rohzustand die Nährstoffaufnahme im Körper – durch Fermentation werden sie unschädlich gemacht oder sogar in gesundheitsfördernde Substanzen umgewandelt.

Infobox: Klassische Fermente im Alltag

LebensmittelFermentationsorganismenVorteil
SauerkrautMilchsäurebakterienVitamin-C-Gehalt, Darmgesundheit
JoghurtLactobacillus bulgaricus u.a.Eiweißverdaulichkeit, Probiotik
SauerteigbrotMilchsäurebakterien, HefenBesser verträgliches Gluten
Kimchi, MisoMischfermenteAntioxidantien, Mikrobiompflege

Fermentierte Lebensmittel als "Vorverdautes"

Ein besonderer Vorteil fermentierter Nahrung liegt in ihrem "vorverdauten" Charakter: Die Mikroben spalten komplexe Nährstoffe bereits vor dem Verzehr auf. Dadurch werden etwa:

  • Proteine in kleinere Peptide und Aminosäuren
  • Ballaststoffe in kurzkettige Fettsäuren
  • Vitamine und Mineralstoffe besser freigesetzt

Das erhöht die Bioverfügbarkeit und macht die Nahrung für den menschlichen Körper deutlich verwertbarer und bekömmlicher – besonders bei empfindlicher Verdauung.

Zudem haben viele Fermente weniger Kalorien als ihre Rohformen – etwa durch den Abbau von Zucker. Gleichzeitig fördern sie die Vielfalt nützlicher Darmbakterien – ein entscheidender Faktor für unser Immunsystem, unsere Stimmung und unsere Stoffwechselgesundheit.

Kaskadenfermentation – Fermentation 2.0

Ein moderner, weiterentwickelter Ansatz ist die sogenannte Kaskadenfermentation. Entwickelt vom Apotheker Dr. Hans Niedermaier und wissenschaftlich begleitet von seiner Tochter Dr. Cordula Niedermaier-May, handelt es sich um ein dreistufiges, mikrobielles Aufschlussverfahren, bei dem:

  • Frische Früchte, Gemüse, Kräuter und Nüsse
  • von verschiedenen Milchsäurebakterienkulturen
  • über mehrere Fermentationsphasen hinweg aufgeschlossen werden.

Das Ziel: Die Lebensmittel werden bis auf molekularer Ebene zerlegt, sodass niedermolekulare Einheiten entstehen – kleinste bioaktive Substanzen, die ohne zusätzliche Verdauung über die Darmwand direkt in den Blutkreislauf gelangen können.

Ideal für geschwächte Verdauungssysteme

Gerade für ältere Menschen, Menschen mit Reizdarm oder eingeschränkter Enzymaktivität kann die Kaskadenfermentation enorme Vorteile bieten – denn hier übernimmt der mikrobielle Prozess, was dem Körper sonst mühsam gelingt.

Postbiotika: Die stillen Helfer nach der Fermentation

Im Gegensatz zu probiotischen Produkten enthält das Endprodukt der Kaskadenfermentation keine lebenden Mikroorganismen mehr – sie wurden vollständig abgebaut. Was bleibt, sind deren funktionelle Bestandteile:

  • Enzyme
  • kurzkettige Fettsäuren
  • Peptidoglykane und Zellwandfragmente

Diese Substanzen werden als Postbiotika bezeichnet – und geraten zunehmend in den Fokus der Wissenschaft. Studien zeigen: Postbiotika können entzündungshemmend wirken, die Darmbarriere stärken und Immunprozesse günstig beeinflussen (Aguilar-Toalá et al., 2018).

Sekundäre Pflanzenstoffe optimal verfügbar machen

Ein weiterer Pluspunkt der Kaskadenfermentation: Die darin enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe (SPS) – etwa Flavonoide, Sulfide oder Polyphenole – werden durch den mikrobiellen Aufschluss besser resorbierbar gemacht. Diese Stoffe:

  • wirken antioxidativ
  • unterstützen Leber und Stoffwechsel
  • regulieren Immunreaktionen

Im Zusammenspiel mit Postbiotika entsteht ein hoch bioaktives Gesamtprodukt, das moderne Ernährung und traditionelle Fermentation auf neue Weise verbindet.

Fazit: Fermentation als Baustein moderner Longevity- Ernährung

Fermentierte Lebensmittel sind weit mehr als alte Hausrezepte – sie sind ein kraftvolles Werkzeug für eine gesunde Verdauung, starke Immunabwehr und stabile Stoffwechselprozesse. Die Kaskadenfermentation hebt diese Wirkung auf ein neues Level: Durch die gezielte Aufspaltung bis auf molekulare Ebene entsteht ein besonders verträgliches, bioverfügbares und vielseitig einsetzbares Endprodukt.

Wer gesund altern will, kommt an Fermenten nicht vorbei – und kann mit Kaskadenfermenten das volle Potenzial natürlicher Ernährung ausschöpfen.

Dr. Bernhardt ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, ausgebildet in Präventivmedizin, Anti-Aging- und Hormontherapie. Als Longevity-Experte berät er Menschen im DACH- Raum zu Themen wie gesunde Ernährung, Mikrobiomgesundheit und innovativer Nahrungsergänzung. Weitere Infos: wechselweise.net

  • Heseker, H. et al. (2008). Nationale Verzehrstudie II – Ergebnisbericht. BMELV.
  • Zhuang, H. et al. (2019). Dietary peptides modulate gut microbiota and mucosal barrier function. Nutrition Research, 69, 67–78.
  • Aguilar-Toalá, J. E. et al. (2018). Postbiotics: An evolving term within the functional foods field. Trends in Food Science & Technology, 75, 105–114.
  • Marco, M. L. et al. (2021). Health benefits of fermented foods: microbiota and beyond. Current Opinion in Biotechnology, 70, 63–70.
  • Śliżewska, K. et al. (2021). Role of probiotics and postbiotics in modulating the gut microbiota and immune response. Journal of Functional Foods, 87, 104754.