Bioidentische Hormone: Individualrezeptur hilft am besten
Wechselbeschwerden: Bioidentische Hormone wirken am besten, wenn sie individuell zusammengestellt werden. Der Schweizer Präventivmediziner Dr. Andreas Bernhardt erklärt uns, worauf es dabei ankommt.
Bioidentische Hormone sind im Vormarsch. Ihre Verordnung ist in den letzten Jahren rasant angestiegen. Der Schweizer Präventivmediziner und Spezialist für die Bioidentische Hormontherapie setzt in der Behandlung auf Magistralrezepturen – von Apotheken individuell zusammengestellte Präparate. Fixe Dosierungen sind nicht zielführend. Worauf kommt es dabei an? Wie kann eine Frau in den Wechseljahren davon profitieren?
Bevor wir einen Blick auf die Darreichungsform werfen, noch eine Grundsatzfrage.
Was ist die Bioidentische Hormontherapie (BHT)?
Während bei der herkömmlichen Hormonersatztherapie (HET) synthetische Hormone – chemische Verbindungen, die im Körper nur hormonähnliche Wirkungen auslösen – eingesetzt werden, kommen bei der BHT Hormone aus natürlichen Quellen wie der Yamswurzel zur Anwendung. Sie entsprechen eins zu eins der Molekülstruktur von körpereigenem Östrogen, Progesteron und Co. Aufgrund der gleichen Struktur und Funktion passen sie genau auf die dafür vorgesehenen Rezeptoren, die Andockstellen auf der Zelle, und können so ihrer natürlichen Aufgabe mit entsprechender Wirkung nachgehen.
Welche bioidentischen Hormone sind in der Menopause von Bedeutung?
- Progesteron
- Estradiol
- Estriol
- DHEA
- Testosteron
- Ggf. auch Pregnenolon
Wie werden bioidentische Hormone hergestellt?
Die Yamswurzel mit dem darin enthaltenen Diosgenin – einer Vorstufe des menschlichen Hormons Progesteron – dient als Basis für die Herstellung bioidentischer Hormone. Sie werden im Labor durch eine einfache chemische Umwandlung gewonnen. Die Hormone Progesteron, Östrogen und Testosteron stammen also nur aus natürlichen Quellen.
In welcher Form können wir bioidentische Hormone einnehmen?
Bioidentische Hormone kommen entweder in Tabletten- oder Kapselform zur Anwendung, können aber auch als Gel auf die Haut aufgetragen oder als Vaginalzäpfchen angewendet werden. Die Höhe der Dosierung bestimmt der Arzt. Im Gegensatz zu synthetischen Hormonpräparaten, die als Fertigarzneien angeboten werden, ist es bei der BHT von Vorteil, nicht mit fixen Dosierungen zu arbeiten, sondern in der Verordnung individuell auf die Patient:innen einzugehen. Bei solchen Magistralrezepturen, die der Arzt verschreibt, werden die Arzneien, ähnlich wie bei vom Dermatologen verschriebene Substanzmischungen, vor Ort in der vom Arzt vorgegebenen Dosierung von der Apotheke zusammengestellt und häufig in Kapselform abgefüllt. Dabei kommen unterschiedliche Methoden, wie etwa die Rimkus-Methode, zur Anwendung. In allen Fällen sind Hormonpräparate rezeptpflichtig.
Was ist die Rimkus-Methode?
Die Rimkus-Methode wurde vom deutschen Gynäkologen Dr. Volker Rimkus entwickelt. Er hatte schon Anfang der 1990er Jahre festgestellt, dass die herkömmliche Hormonersatztherapie nicht immer den erwünschten Effekt erzielt. Bei der Rimkus-Methode kommen ausschließlich natürlich gewonnenes Progesteron, Östrogen und Testosteron in Kapselform zum Einsatz. In den Kapseln liegen die Hormone in Olivenöl gelöst vor.
Das hat einen besonderen Vorteil: Für gewöhnlich gelangt ein Medikament, das geschluckt wird, über den Darm und die Leber in den Blutkreislauf. In der Leber werden Substanzen sehr stark abgebaut, wodurch nur ein geringerer Teil der Arzneistoffe in den Organismus gelangt. Das Olivenöl macht die Hormone bioverfügbar, indem sie den Verdauungsapparat unbeeinflusst passieren und über das lymphatische System wirken können. Dadurch kommt es zu einer schnellen Aufnahme und höheren Wirkspiegeln. Präparate, die strikt nach Rimkus hergestellt sind, sind starre allerdings Dosierungen, die auch immer mit Kupfer und Zink kombiniert werden. Die Zugabe von Kupfer und Zink sind Dr. Bernhardt zufolge häufig gar nicht nötig – und starre Dosierungen damit unvorteilhaft.
Wie wird die Hormon-Zusammensetzung individuell bestimmt?
In einer ersten Anamnese beschreibt die Patientin ihre bisherige Krankengeschichte, ihre Lebensumstände und die aktuellen Symptome. Mittels Bluttest, der exakter und wissenschaftlicher als ein Speicheltest ist, wie Dr. Bernhardt betont, wird der Hormonstatus erhoben. Die Laboranalyse und die Anamnese sind Voraussetzung für die weitere Vorgehensweise. Als Grundlage für die Hormonverschreibung gelten bestimmte Zielwerte, auf die bei der Behandlung zugesteuert wird. In den Kapseln sind die Hormone je nach Bedarf auch individuell gemischt.
Wie erfolgt die Behandlung mit Individualrezepturen?
Die individuelle Hormon-Mischung nimmt die Patientin einen Monat lang ein, dann wird wieder der Hormonstatus im Blut kontrolliert. Die aktuelle Situation wird erneut besprochen und die Therapie mit einer neuen Rezeptur angepasst. Das Prozedere wird in immer grösseren Abständen solange fortgesetzt, bis eine Balance der Hormone erreicht wird und die Patientin mit ihrem durch die BHT optimierten Zustand rundum zufrieden ist. Da die Methode hochkomplex ist, dauert es für gewöhnlich ungefähr ein halbes Jahr, bis der optimale Zustand erreicht ist. Wenn man möchte, kann man die Hormone durch regelmäßige Kontrollen begleitet ein Leben lang einnehmen, erklärt Dr. Bernhardt. Denn Ziel des Better-Aging-Ansatzes ist es, die Hormonspiegel auf den der mittleren Lebensspanne zu bringen. Mit dem Aufrechterhalten des Spiegels kann das Auftreten von chronischen Erkrankungen, das laut internationalen Studien mit dem zunehmenden und langanhaltenden Hormonabfall in den Wechseljahren zu tun hat, verhindert beziehungsweise vermindert werden.
Ein Patientinnenbeispiel:
Eine Frau in den Wechseljahren mit Hitzewallungen und schlechtem Schlaf infolge eines isolierten Progesteronmangels: Der Patientin wurden 30 mg bioidentisches Progesteron zur abendlichen Einnahme vor dem Schlafengehen verschrieben. Die Kontrolle nach einem Monat zeigte, dass die Spiegel zwar angestiegen sind, allerdings noch nicht am Zielwert und Symptome zwar gemindert, aber noch vorhanden waren. Daraufhin erhielt sie 20 mg Progesteron morgens und 50 mg Progesteron abends. Die Anpassung führte zum Erfolg.
Wichtig ist: Die Hormone müssen in ihrer Dosis langsam gesteigert werden. Denn auch bei bioidentischen Hormonen können Nebenwirkungen auftreten, wenn sie zu hoch eingenommen werden, warnt Dr. Bernhardt.
Fazit: Individuell zusammengestellte Arzneien ermöglichen eine optimale, gezielte und personalisierte Versorgung der Patientinnen und Patienten. Mit regelmäßigen Kontrollen wird die Dosis laufend angepasst, bis der gewünschte Erfolg eintritt – nämlich Symptomfreiheit. Die Bioidentische Hormontherapie ist eine hochkomplexe Angelegenheit, die unbedingt in die Hände eines auf BHT spezialisierten Arztes oder einer spezialisierten Ärztin gehört!
Zur Person: Dr. Bernhardt ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, Mitglied in der Schweizer Anti Aging Fachgesellschaft SSAAPM und hat eine internationale Universitätsausbildung in Anti Aging und Hormonen sowie Präventivmedizin. Sein Spezialgebiet ist die bioidentische Hormontherapie im Rahmen seines Longevity Konzepts. In diesem Kontext ist er auch Experte für die deutschsprachige Internetplattform wechselweise.net, welche sich im Raum D/A/CH für Aufklärung zu den Themen der Wechseljahre einsetzt.